Napoleon Bonaparte (Detektiv)

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Napoleon Bonaparte (Bony) ist eine in den späten 1920er Jahren von dem australischen Schriftsteller Arthur William Upfield geschaffene Kunstfigur, die in 29 seiner Kriminalromane als Kriminalinspektor ermittelt.

Reales Vorbild für die fiktive Figur „Bony“ war der Tracker Leon Wood[Anm. 1], der von je einem weißen und einem Aborigine-Elternteil abstammte und neben einer umfassenden europäischen Bildung die volle Initiation eines Aborigines durchlaufen hatte.[1] Einzelheiten sind nicht bekannt.[2] Arthur W. Upfield lernte Leon Wood im Norden von Queensland kennen, wo Upfield auf einer Rinder-Station arbeitete, deren Eigentümer vermutlich der Vater von Leon Wood war. Bei ihrem zweiten Treffen schrieb Upfield am zweiten Entwurf seines Romans The Barrakee Mystery. Noch in diesem zweiten Entwurf von The Barrakee Mystery ließ Upfield einen weißen Detektiv ermitteln. Upfield lieh an Wood mehrere Bücher aus, darunter auch The Life of Napoleon Bonaparte von John Stevens Cabot Abbott.[3] Diese Begegnung mit Leon Wood, während er an The Barrakee Mystery arbeitete, führte dazu, dass Upfield „Bony“ und dessen Namen erfand und den Krimi entsprechend umschrieb. Dabei übernahm er die Biografie von Leon Wood weitgehend, der ebenfalls als Spurensucher für die Polizei von Queensland arbeitete.[4]

Fiktive Biografie

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Bony, Sohn eines weißen Vaters und einer Aborigine-Mutter, wurde im Norden von Queensland geboren.[5] Das Baby lag neben seiner erschlagenen Mutter, die durch den Geschlechtsverkehr mit einem Weißen eine Stammesregel gebrochen hatte.[6] Bony wurde von einer weißen Adoptivmutter aufgezogen. Diese fand das Baby eines Tages damit beschäftigt, wie es an den Seiten einer Ausgabe von Abbots The Life of Napoleon Bonaparte herumkaute. So erhielt Bony seinen Namen.[7]

Für Napoleon Bonaparte folgte eine erfolgreiche Schulzeit mit einem High-School-Abschluss[8] und ein Studium in „Arts ans Science“[9] mit einem Stipendium an der Universität in Brisbane.[10] Er schloss mit einem Master of Science ab.[Anm. 2] Nach einer gescheiterten Beziehung mit einer weißen Frau ging er im Alter von 22 Jahren[11] für ein Jahr zum Stamm seiner Mutter und eignet sich alle Fähigkeiten für die Spurensuche an.[12] Hier lernte er auch Illawilli kennen, der den Stamm führt. Illawilli hilft ihm bei seinen Ermittlungen in The Sands of Windee durch seine Fähigkeiten zu Hypnose und Gedankenlesen.[13] Illawilli ist zu diesem Zeitpunkt 67 Jahre alt.[14]

Ab 1909[15] arbeitete Bony als Spurensucher für die Queensland Police[16] (heute: Queensland Police Service) und unterrichtete Kinder im Lesen und Schreiben im Nordwesten von Queensland.[17] Als bei einer Bereisung des Nordwestens dieses Bundesstaates durch den Gouverneur dessen Tochter entführt wurde, gelang es Bony diese aus den Händen der Kidnapper zu befreien und durch seine Fähigkeiten als Spurenleser konnten die Täter gefasst werden. Er erhielt daraufhin eine Stelle als Detective Sergeant bei der Polizei von Queensland. Als er den Lesern erstmals entgegentritt, ist er bereits Detective Inspector.[18] Sein Dienstsitz ist Brisbane[19] und sein Vorgesetzter der Chief Commissioner[Anm. 3] der Polizei von Queensland, Colonel Spender, der Bony sehr schätzt, aber wegen seiner Weigerung, sich der Polizeidisziplin zu unterwerfen, ständig mit ihm über Kreuz liegt.[20] Trotz dieser Verankerung in der Polizei von Queensland ermittelt Bony in den Romanen von Arthur W. Upfield nur drei Mal in diesem Bundesstaat, sonst in ganz Australien, außer in Tasmanien und dem Northern Territory.[21]

Bony ist mit Marie verheiratet.[Anm. 4] Sie ist ebenfalls Kind aus der Verbindung eines europastämmigen und eines Aborigine-Elternteils – Arthur W. Upfield wird dazu nie präziser. Sie wird als Modell-Hausfrau der viktorianischen Zeit präsentiert, als liebenswert, verständnisvoll, häuslich, sie liest populäre Literatur, auch Krimis[22], und spielt Klavier. Aber Marie bleibt schemenhaft. Das liegt auch daran, dass der Autor, Arthur W. Upfield, selbst nie eine stabile, längerfristige Beziehung eingehen konnte und von Frauen der Generation seiner Großmütter geprägt war.[23] Bony und Marie haben drei Söhne: Charles, Robert und Edward. Charles eifert seinem Vater nach und besucht die Universität, Robert zieht es in das Outback – was dem Vater gar nicht behagt – und Edward geht in die Grundschule.[24] Auch die Familie altert in der Zeitspanne von fast 40 Jahren, in der die Romane entstehen, nicht. Die Söhne studieren immer an der Universität Brisbane oder haben dort gerade einen Abschluss bestanden.[25] Die Familie lebt in der Nähe von Brisbane. Dieser familiäre Hintergrund bleibt blass.

Als Detektiv ist Bony etwa 45 Jahre alt – und bleibt das, auch wenn der Autor die Romane, in denen Bony ermittelt, über eine Zeitspanne von fast 40 Jahren verfasste. Bony ist 1,78 cm groß, mager, sehr fit und allen Herausforderungen der Natur und des Klimas im Innern Australiens gewachsen. Seine Hautfarbe wird im Laufe der Romane zunehmend heller.[26]

Er ist ein ausgezeichneter Spurenleser und Kriminalist. Die Figur beruht auf der ihr zugeschriebenen Fähigkeit, die Natur perfekt zu „lesen“, ihrer Geduld und Intuition sowie ihrem kombinatorischen Scharfsinn. Die Handlungen spielen fast ausschließlich im Outback oder in kleinen Siedlungen, in städtischem Kontext würde das Spurenlesen nicht glaubhaft funktionieren.[27] Oft verbringt Bony Monate an einem Ort, um einen Fall zu lösen. Zeit spielt keine Rolle. Und wenn seine Vorgesetzten ein Problem damit haben, kündigt er einfach – in der sicheren Erwartung, dass sie ihn anschließend wieder einstellen. Er sieht sich als Ermittler, nicht als Polizist.[28] Es gibt keinen Fall, mit dem er befasst ist, den er nicht gelöst hat.[29]

Bei seinen Ermittlungen geht er in der Regel so vor, dass er verdeckt ermittelt, sich als Arbeiter im Umfeld seiner Ermittlung einstellen lässt und nur der maßgebliche Polizeibeamte in diesem Distrikt seine Identität kennt.[30] 1925 und 1927 oder 1928 ermittelt er in zwei Fällen im Nordwesten von New South Wales[31], zuvor war er zwei Jahre lang mit „belanglosen“ Fällen in Queensland beschäftigt.[32]

Bony ist sich seiner Fähigkeiten sehr bewusst, vertritt das auch, bis hin zur Arroganz.[33] „I am, however, the greatest detective in Australia“[34] („Ich bin nunmal der größte Detektiv in Australien“). Zudem ist er humorlos („I never joke. Life is too serious to joke.“)[35] Auch mit Lyrik kann er nichts anfangen.[36] All das scheint seine Umgebung nicht zu stören. Andererseits schreibt Arthur W. Upfield ihm einen gewinnenden Charakter zu und er hat viele Freunde.[37] Diese Darstellung seiner Person wirkt inkohärent. Bony selbst sieht sich als Brücke zwischen Aborigine- und europäischer Kultur, eine Verbindung, die bei den anderen in den Romanen der Reihe auftretenden Personen in der Regel scheitert. Auch die Bewunderung für seinen Namensgeber wirkt stereotyp. Upfield betont zwar immer, dass Bony Napoleon Bonaparte verehre, was er an ihm aber konkret schätzt, bleibt merkwürdig blass.[38] Obwohl Upfield immer wieder betont, dass Bony die Kultur der Aborigines besser kennt, als jeder europäischstämmige Australier, ist seine Vorstellung von (Sexual)moral und dem, was zwischen beiden Ethnien möglich ist, stark europäisch-viktorianisch geprägt.[39] Sein Verhältnis zu Religion ist sehr distanziert[40], womit er die Einstellung seines ihn erschaffenen Autors widerspiegelt. Übernatürliche Phänomene aber spielen in den Romanen immer wieder mal eine Rolle.[41]

Bony ist es – neben seiner Hauptaufgabe, ein Verbrechen aufzuklären – immer auch wichtig, Menschen, die er dabei kennenlernt, bei ihren Problemen zu helfen.[42] Das ergibt zahlreiche Nebenhandlungen in den Kriminalromanen.

In der australischen Fernsehserie „Boney“ [!], die 1972/73 entstand, spielte die Titelrolle der neuseeländische Schauspieler James Laurenson.

  • Ray B. Browne: The spirit of Australia. The crime fiction of Arthur W. Upfield. University Press, Bowling Green 1988, ISBN 0-87972-402-1
  • Arthur W. Upfield: The lure of the bush (= The Barrakee Mystery). The American Reprint Company, Mattituck, N.Y., 1978.
  • Arthur W. Upfield: The Sands of Windee. Angus & Robertson, London & Sydney 1984. ISBN 0-207-14028-6
  1. Eventuell handelt es sich hier auch um ein Sprachspiel mit dem Namen Napoleon.
  2. Im ersten Krimi der Romanserie, The Barrakee Mystery / The Lure of the Bush (Bony und der Bumerang), wird dagegen ein Bachelor of Arts als Abschluss genannt (Upfield: The lure, S. 67).
  3. Das entspricht von der Funktion her in etwa einem Polizeipräsidenten.
  4. In seinem ersten Bony-Krimi, The Barrakee Mystery / The Lure of the Bush (Bony und der Bumerang), trägt sie den Namen „Laura“. Zu der Namensänderung vgl.: Browne, S. 166.

Einzelnachweise

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  1. Browne, S. 31.
  2. Browne, S. 171.
  3. John S. C. Abbott: The life of Napoleon Bonaparte. Beeton, London 1860.
  4. Browne, S. 32, 155, 158.
  5. Browne, S. 23.
  6. Browne, S. 174, 180.
  7. Browne, S. 33; Upfield: The lure, S. 67.
  8. Upfield: The Sands of Windee, S. 65.
  9. Upfield: The Sands of Windee, S. 65.
  10. Upfield: The Sands of Windee, S. 29; Upfield: The Sands of Windee, S. 65.
  11. Upfield: The Sands of Windee, S. 65.
  12. Browne, S. 33.
  13. Upfield: The Sands of Windee, S. 107.
  14. Upfield: The Sands of Windee, S. 84. Da diese Ermittlung 1925 spielt wäre er 1858 geboren.
  15. Upfield: The Sands of Windee, S. 10, 212.
  16. Upfield: The lure, S. 75.
  17. Upfield: The lure, S. 94; Upfield: The Sands of Windee, S. 30.
  18. Upfield: The lure, S. 75.
  19. Browne, S. 49.
  20. Upfield: The Sands of Windee, S. 5, 215ff.
  21. Browne, S. 266.
  22. Upfield: The Sands of Windee, S. 9.
  23. Browne, S. 215.
  24. Upfield: The Sands of Windee, S. 61.
  25. Browne, S. 50.
  26. Browne, S. 23.
  27. Browne, S. 50.
  28. Upfield: The Sands of Windee, S. 5, 98, 215ff.
  29. Upfield: The lure, S. 75.
  30. Upfield: The Sands of Windee, S. 27.
  31. 1925: Upfield: The Sands of Windee, S. 10; 1927 oder 1928: Upfield: The lure.
  32. Upfield: The Sands of Windee, S. 1.
  33. Browne, S. 15.
  34. Upfield: The Sands of Windee, S. 157.
  35. Browne, S. 18.
  36. Upfield: The Sands of Windee, S. 29.
  37. Upfield: The lure, S. 94, 171; Upfield: The Sands of Windee, S. 64.
  38. Upfield: The lure, S. 133.
  39. Upfield: The lure, S. 133.
  40. Upfield: The Sands of Windee, S. 67f.
  41. Browne, S. 233.
  42. Browne, S. 6.